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Tocotronic Music

Tocotronic – Info

Früher begannen junge Leute mit dem Gitarrespielen, indem sie das Riff von Smoke On The Water und die Akkorde für das Traditional House Of The Rising Sun lernten. Wenn sie heute mit Instrumenten anfangen, lassen sie sich dazu gerne durch Lieder von Tocotronic anspornen.
Diese aufmüpfige und fröhlich schöpferische Band übt hierzulande einen überallspürbaren Einfluss aus. Musikalisch und modisch versorgt sie Jungs und Männer mit dem Selbstbewusstsein, das Madonna bis heute an Mädchen und Frauen weitergibt.

Der Gitarrist Rick McPhail findet mit Leichtigkeit prägnant erzählende Töne. Er setzt sie wie Punkte und Kommas auf und zwischen Strophen und Refrains. So verwandelt er einen Entwurf in einen Song.
Der Bassist Jan Müller hat ein romantisches Verhältnis zu Musik, die apart aus der Zeit fällt. Er ist der aufgeschlossenste Rock-Fan der Band. Sein Bass klingt wie das Auge des Sturms in den Songs von Tocotronic.
Der Schlagzeuger Arne Zank reist schon mal auf die andere Seite der Erdkugel, um Klänge zu entdecken wie seltene Schmetterlinge. Anschließend kehrt er als musikalischer Antipode zurück, um in angenehmen Bars in Berlin-Kreuzberg interessante, sonderbare Klanglandschaften vorzustellen.
Der Sänger Dirk von Lowtzow steht morgens auf und hat einen Song fertig. Er frühstückt und hat einen zweiten Song fertig. Dann geht er um den Block und telefoniert vielleicht kurz. Wenn er mittags nach Hause zurückkommt, ist die Demo-Version eines dritten Songs so gut wie aufgenommen.

Über mehr als zwanzig Jahre haben diese Protagonisten ihre Band immer weiter getrieben. Mit den erstaunlichsten Ergebnissen. Wenn heute jemand Tocotronic kritisiert, wirkt das, als würde er sich mit dem Horizont anlegen.

Die an Glanztaten und Überraschungen reiche Geschichte von Tocotronic findet nun ihre Fortsetzung mit einem weiteren Höhepunkt, einem wonnepoppigen Werk, in demalles drinsteckt. Wirklich: alles. Kindheit, Jugend, Aufstand. Wahnsinn und Gefängnis.Kondenswasser, das auf die Selbsterkenntnis tropft, Plasma, das aus der Hand wächst.BMX-Räder, alte Freunde, eleganter Mut und wilde Gefahren.

In zwölf Songs und einem Hidden Track behandeln Tocotronic drei zentrale Anliegen:Liebe, Erinnerung und noch mehr Liebe. Den Rahmen bildet das ganze Leben.

Es beginnt mit einem Hinweis darauf, wo alles anfängt, nämlich im Heimatort Langeweile, den es zu verlassen gilt. Der Sänger kommt darauf, dass er das schafft, indem er den Erwachsenen mit Selbstbewusstsein begegnet: Wir spucken ihnen ins Gesicht.

So wird er zum Rebel Boy, der anderen bei den zärtlichsten Gelegenheiten begegnen will, auch wenn es dort zum Slapstick kommen sollte: Unter deiner Decke fasst mich das Chaos an. Durch das Fenster des Schlafzimmers sieht er welche, die unter Spießbürgern Spießruten laufen. Von ihrem Anblick lässt er sich anregen, ein Pop-Künstler zu werden. Einer, der Pop-Thesen aufstellt: Es irrt sich jeder, der meint, dass man die Welt vom Müll befreien muss.

Der Rebel Boy und Pop-Künstler wird zur Diva, fühlt sich zeitweilig verstorben und hat schließlich ein Date mit Dirk in einer Science-Fiction-Landschaft.

Tocotronic sind in jedem Teil dieser Konzept-Story musikalische Könner, die mit denunterschiedlichsten Stilen jonglieren. Wenn sie wollen, klingen sie wie Depeche Mode.Wie Pavement, wenn sie schwelgen. Wie trotzige New Order. Wie aufgekratzteAztec Camera. Oder wie die Stranglers, die sich mit den Smiths zusammentun, um Paint It Black von den Rolling Stones zu spielen.

Mit ihren riesigen Fähigkeiten, mit schlafwandlerischer Sicherheit und nicht zuletzt durch die Arbeit des Produzenten Moses Schneider und des Sounddesigners Markus Ganter greifen Tocotronic mal eben in unsere Gegenwart ein. Sie verändern die Zeit. Etliche Dinge, die es noch gibt, wirken auf einmal, als hätte es sie mal gegeben. Darunter eine Musik, die in den letzten Jahren vielen Gelegenheit bot zu bekunden, wie viel Mühe es macht, mit sich selbst verheiratet zu sein.

Diesen sogenannten Diskursrock verabschieden Tocotronic nun auf freundlichste Weise.Damit beginnt etwas Neues. Das rote Album schleudert uns dorthin, ins Offene,liebe Freundinnen und Freunde.

Ein Album wie ein Paradigmenwechsel. Und der wirkt sich auf jeden aus, selbst denInfo-Schreiber, den es zu einem Songtext angeregt hat. Er singt zur Melodie vom

Prolog:

Ein paar Lieder ohne Eile
vertreiben mehr als Langeweile

Zauberlust liegt in der Luft
Wie ein leichter, milder Duft

Schönste Musik für eine kurze Weile
Von hier bis zur nächsten Zeile

Und dann weiter durch Mark und Bein
Du bist schön, um wahr zu sein

So kommst du in eine Stadt aus Licht
Alles ist zugänglich

Hier gibt es nicht nur WLAN,
sondern auch eine Platte wie ein Ozean

Du musst sie dir nicht mehr wünschen
Alle Leute werden jetzt Menschen

Nicht einer von ihnen bleibt noch länger stumm
Unterm Pflaster liegt die Erinnerung

Dort fließt Musik wie aus einer Quelle
Sie klingt wie das Ding auf der Schwelle

Wenn es sagt: Ich bin der letzte Schrei
Mein Kopf ist meilenweit

Drumrum ein Glanz, ein wilder Schimmer
Ein freundlicher, bunter Flimmer

Und ein Hauch von süßer Logik
Das Red Album von Toco

Kristof Schreuf


 

Prolog
Die Erwachsenen
Chaos
Rebel Boy
Ich öffne mich
Solidarität
Spiralen
Sie irren
Haft
Zucker
Jungfernfahrt
Diese Nacht


Biographie

Sie haben uns von Sehnsucht und Abscheu gekündet, von Zügellosigkeit und Erschlaffung. Sie haben uns die schönsten Merksprüche geschenkt und die lieblichsten Selbstzweifellieder. Sie haben uns die Wonnen des autoerotischen Näselns gelehrt und die Widrigkeiten der politischen Selbstvergewisserung vertont. Sie haben deklamiert und gelockt, gerockt und zugleich der Rockmusik den machistischen Boden entzogen.Und sie haben immer verdammt gut ausgesehen dabei. Seit zwanzig Jahren bringenTocotronic nun schon Langspielplatten heraus, und es hat in den letzten zwanzigJahren in diesem Land keine andere Gruppe gegeben, die sich so schön und so kühndurch die musikalischen Stile bewegt – und durch die politische Realität ihres Landesund ihrer Generation. Keine andere Band hat sich so kontinuierlich selbst neu erfunden; keine andere Band ist so konsequent auf der Reise geblieben. Keine andere Band wirkt denn auch nach zwanzig Jahren noch immer so herausfordernd und frisch, so jugendlich und weise zugleich.

Digital ist besser heißt die erste Platte, mit der Arne Zank, Jan Müller und Dirk vonLowtzow 1995 in Hamburg die Bildfläche betreten, ein monumentales Werk jugendlicher Erschlaffung und euphorischen Ungestüms, getragen von dem unbeirrbaren Willen, nicht dazugehören zu wollen, sowie andererseits von der unstillbaren Sehnsucht, Teil einer Jugendbewegung zu sein. Es geht um Fahrradfahrer und Tanztheater und um das Gefühl, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein; auf dem wenige Monate später folgenden zweiten Album Nach der verlorenen Zeit geht es dann auch um die Liebe und um die Möglichkeit, dass es sie gibt.

Aus der Asche der gerade verglommenen Hamburger Schule steigen Tocotronic wie ein Phoenix empor, eine ganze Generation lernt ihre Lieder auswendig und ahmt ihre asymmetrischen Haarschnitte nach; das postironische Tragen von Trainingsjacken etablieren sie als Modetrend. Mit ihrem dritten Album Wir kommen um uns zu beschweren werden sie 1996 endgültig zu Superstars, die erste Band, die es aus der kleinen Welt des deutschsprachigen Diskurspop in die ganz großen Hallen und Stadien schafft:Avantgarde für die Massen. Auf der vierten Platte Es ist egal, aber reichern sie 1997 ihren ungestümen Gitarrenrock erstmals mit Mundharmonika und Streichern an: Damit, so könnte man vielleicht sagen, schließen sie ihre erste Werkphase ab.

Ihre zweite Werkphase beginnt 1999 mit K.O.O.K., einer wuchtigen, schwarzen und von Zweifel benagten Platte, futuristisch und nostalgisch zugleich; die Hitze der klassischen Rockmusik prägt sie ebenso wie die Kälte des Weltalls und der Entfremdung zwischen den Menschen. Das Unglück muss zurückgeschlagen werden heißt einer der Hits auf dem Album, ein geflügeltes Wort bis heute. Zum ersten Mal singen Tocotronic von Einsamkeit. Auf dem weißen Album überwinden sie 2002 dann den musikalischen Minimalismus älterer Tage mit einer opulent orchestrierten, farbig verrätselten Platte, in der Realismus und Fantasie sich miteinander versöhnen: Eins zueins ist jetzt vorbei. Oder um es mit dem Titel des folgenden Albums aus dem Jahr 2005 zu formulieren: Pure Vernunft darf niemals siegen. Ab nun gehört Rick McPhail als viertes Mitglied zur Gruppe und bereichert ihre Musik mit seinen blumig erblühenden Gitarrenfeedbacks.

Der nächste Abschnitt des Tocotronic’schen Schaffens beginnt 2007, in dem Jahr, in dem ihr vorläufiges Meisterwerk erscheint: Kapitulation ist ohne Frage die wichtigste deutschsprachige Pop-Platte der Nullerjahre, eine musikalische und lyrische Großtat, die von den Wonnen der Selbstaufgabe erzählt und vom Glück der eigenen Unterwerfung. Die Selbstwidersprüche unserer Existenz, die unauflösbare Dialektik von Müssen und Wünschen bringen Tocotronic nun mit immer größerer Schönheit und Gelassenheit zu Gehör, auf dem folgenden 2010er Werk Schall & Wahn ebenso wie auf ihrem bislang letzten Album, Wie wir leben wollen aus dem Jahr 2013. Darauf geht es ums Altern, um das Glück der Reife und um die Überwindung des Todes; damit kommt die dritte Werkphase – manchmal als Berlin-Trilogie etikettiert – denn auch zu einem Abschluss. Wovon wird also das rote Album erzählen, mit dem Tocotronic im Jahr2015 wieder von vorne beginnen? Zwanzig Jahre lang währt der Bildungsroman dieser einzigartigen Gruppe nun schon, und doch ist sie auch nach all dieser Zeit immer noch dort, wo man im Offenen ist.

Jens Balzer


Diskographie

1995 Digital ist besser
1995 Nach der verlorenen Zeit
1996 Wir kommen um uns zu beschweren
1997 Es ist egal, aber
1999 K.O.O.K.
2002 Tocotronic (Das weiße Album)
2005 Pure Vernunft darf niemals siegen
2007 Kapitulation
2010 Schall & Wahn
2013 Wie wir leben wollen
2015 s/t (Das rote Album)

Tocotronic Live
Frühjahrs-Showcases

26.04.15 Hamburg, Mojo
27.04.15 Köln, Stadtgarten
28.04.15 München, Strom
01.05.15 Berlin, SO36

Festivals

05.–07.06.15 Mendig, Rock am Ring
05.–07.06.15 Nürnberg, Rock im Park
11.06.15 (CH) Luzern, B-Sides Festival
16.–19.07.15 Cuxhaven, Deichbrand Festival
17.–19.07.15 Gräfenhainichen, Melt! Festival
19.07.15 (A) Wien, Arena Open Air

Tour

08.10.15 Leipzig, Haus Auersee
09.10.15 Hannover, Capitol
10.10.15 Erfurt, Stadtgarten
11.10.15 Mannheim, Alte Feuerwache
12.10.15 (CH) Zürich, X-Tra
14.10.15 Saarbrücken, Garage
15.10.15 Dortmund, FZW
16.10.15 Bielefeld, Ringlokschuppen
17.10.15 Hamburg, Sporthalle
21.10.15 Bremen, Schlachthof
22.10.15 Rostock, Mau Club
23.10.15 Berlin, Columbiahalle
06.11.15 Dresden, Alter Schlachthof
07.11.15 (A) Linz, Ahoi! Pop 2015
08.11.15 (A) Graz, Orpheum
09.11.15 Erlangen, E-Werk
11.11.15 Köln, E-Werk
12.11.15 Wiesbaden, Schlachthof
13.11.15 Stuttgart, LKA Longhorn
14.11.15 München, Zenith
(wird fortgesetzt)


 

Credits

Tocotronic sind Dirk von Lowtzow, Jan Müller, Rick McPhail und Arne Zank

Produziert von Moses Schneider

Rebel Boy und Spiralen produziert von Markus Ganter

Aufgenommen von Ingo Krauss im Candy Bomber Studio, BerlinAssistiert und geschnitten von Max Möhler

Zusätzliche Aufnahmen im Transporterraum Berlin, Tannhäuser Tor, Berlin,und in The Upper Room, Hamburg

Keyboards, Percussion, zusätzliche Gitarren und Produktion von Markus Ganter

Streicher- und Chorarrangements von Thomas Meadowcroft

Chöre gesungen von Cantus Domus, Berlin

Violoncello gespielt von Boram Lie; Violinen gespielt von Mari Sawadaund Paul Valikoski; Viola gespielt von Yodfat Miron

Kalimba gespielt von Ben Lauber
Zusätzliche Gesänge von Julia Wilton

Gemischt von Michael Ilbert im Hansa Mix Room, Berlin

Gemastert von Tom Coyne bei Sterling Mastering, New York City

Text & Musik: Tocotronic. Verlegt in der Edition Elster / Hanseatic Musikverlag /Warner/Chappell Music

Gestaltung: Tocotronic mit Studio Jung
Foto: Michael Peterson
Cover: Jan Timme

Produced by Special Arrangement with Rock-O-Tronic records

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