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Wohntrends 2018

Sebastian Desch: Chefdesigner TEAM 7

In der Mode herrscht steter Wandel. Auch beim Wohnen?

Vom Fast-Fashion-Zeitalter, in dem ein T-Shirt nur so lange getragen wird, wie eine Plastiktüte, sind wir weit entfernt. Die Mechanismen im Wohnen sind andere – werthaltigere. Dennoch muss man auch hier die Entwicklung kritisch sehen. Vor allem im Mitnahmebereich greift man schnell mal zu einem Couchtisch, der nach kürzester Zeit auf dem Sperrmüll landet, weil er nicht mehr gefällt.

Unterliegt Wohnen nicht auch Trends?

Klar doch. Aber sie sind langfristiger und spielen sich mehr im textilen oder dekorativen Bereich ab. Insgesamt spüren wir als Ökomöbel-Pionier eine große Sensibilität gegenüber Möbeln, die heimisch und mit großer handwerklicher Sorgfalt gefertigt sind. Immer mehr Menschen wollen wissen, wie ein Möbel entstanden ist und aus welchem Material es hergestellt wurde. Für ein werthaltiges Möbel sind sie gerne bereit, einen adäquaten Preis zu zahlen.

Welche großen Trends lassen sich beobachten?

Natürlichkeit steht an vorderer Stelle: Holz, Wolle, Filz, Seide – Materialien, die eine besondere Struktur haben. Wir berühren mehr als 2000 Mal am Tag die kühle Oberfläche unseres Smartphones. Unsere Hand sehnt sich nach Haptik. Ein anderes großes Thema ist Flexibilität: Die traditionellen Funktionsbereiche in den Wohnungen lösen sich zunehmend auf. Kochen, Essen und Wohnen gehen oft fließend ineinander über. Möbel, die sich in allen Wohnbereichen integrieren lassen und sie wie eine Klammer miteinander verbinden, sind zunehmend gefragt. Vor allem müssen Möbel heute oft mehr Aufgaben übernehmen und multifunktional sein.

 

Liegen dem gesellschaftliche Ursachen zugrunde?

Sicher. Im Zuge der Urbanisierung werden die Wohnflächen in Städten beengter. Das verlangt auch den Möbeln mehr ab: Sie müssen auf kleinen Grundrissen bestehen – ästhetisch und funktional. Diese neuen Möbel sind kompakt, wirken leicht und vereinen dennoch Funktionalität.

Sie haben auf der weltweit größten Möbelmesse, der imm cologne, ein Feuerwerk an Neuheiten gezündet. Gibt es ein Thema, das Sie dabei besonders bewegte?

Flexibilität und Leichtigkeit. Der Beistelltisch hi! ist genau aus diesem Gedanken geboren: Er ist leicht, daher mobil und lässt sich überall einsetzen, wo man ihn braucht – in der Diele, neben dem Sofa oder dem Bett. Und der Tisch denkt all seine Funktionen bereits mit, denn er kann je nach Wunsch mit einer Leseleuchte oder einem Schuhlöffel ausgestattet werden. hi! mutet sehr filigran und leicht an, ist aber durch seine besondere handwerkliche Fußkonstruktion so stabil, dass ihm auch ein Gewicht von hundert Kilo nichts anhaben kann. hi! steht stellvertretend für die gewachsenen Anforderungen an Möbel nach Flexibilität, die dabei aber eine lässige Leichtigkeit versprühen.

 Gilt dieses Prinzip auch für Ihre neuen Entwürfe für die Diele?

Ja, auch hier steht der Grundgedanke der Flexibilität und der Veränderung Pate. Der Kleiderständer hood ist in seiner Grundform der Natur entlehnt. Bestehend aus zwei ineinandergreifende x-Elemente, erinnert er an einen hochgewachsenen Baum mit ausladender Krone. Werden zwei Grundelemente durch einen Holm verbunden, wird hood zu hood+, einem großzügigen Kleiderständer, der auch im Schlafzimmer ein gute Figur macht.

Was haiku angeht, entwickelte sich das Programm aus der Idee eines großzügigen Lehnspiegels, der in weiterer Folge zudem als Hängespiegel konzipiert wurde. Belegt ist der Rahmen mit verschiedenen Funktionen wie z.B. ein Garderoben-, oder Kombipaneel, einem Ablageboard, Holm, diversen Haken oder einer Schlüsselmulde. Damit kann das System alles – von der Platzspardiele mit den wichtigsten Grundfunktionen bis hin zum riesigen Lehnspiegel, der dem Raum Weite schenkt. Wichtig war mir, dass haiku sowohl als Solitär funktioniert als auch mit unseren bestehenden Programmen kombinierbar ist. Dieser Ansatz des Weiterdenkens über eine Grundfunktion hinaus, ist allen meinen neuen Entwürfen für 2018 gemein.

Hat sich der Designprozess verändert und welcher Herausforderung muss sich ein Designer heute stellen?

Ja, der Designprozess ist heute sicher ein anderer. Es dürfte eher die Ausnahme sein, dass sich ein Designer an ein leeres Blatt setzt und zeichnet. Der Prozess ist heute sehr viel komplexer und antizipiert die gesellschaftlichen Entwicklungen und ihre Bedürfnisse. Die Urbanisierung und Digitalisierung, die gestiegenen Anforderungen an die Mobilität junger Leute, aber auch die Formen der Gemeinschaft – all dies wirkt sich aufs Wohnen und damit auch auf das Möbeldesign aus. Zusammen arbeiten und leben, so wie es in den Co-Working-Spaces oder in Hotel-Lobbys zelebriert wird, hat ein neues Bewusstsein geschaffen, eine Sehnsucht nach unkompliziertem Zusammensein, aber auch nach individuellen Rückzugsoasen. Genau diese beiden Themen, Gemeinschaft und Individualität, in einem schlüssigen Design zu vereinen, wird uns Designer in Zukunft noch viel mehr bewegen.

Abdruck unter Angabe des Fotocredits.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Vielen Dank an Sebastian Desch für das Interview

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